Grenzen der Privatisierung

Vorgestern fand bei der Heinrich Böll Stiftung in Berlin Mitte einer Veranstaltung unter dem Titel Grenzen der Privatisierung? in der Veranstaltungsreihe Gespräche zu Globalisierung und Nachhaltigkeit statt.

Wie der Titel schon vermuten lässt, ging es um die Privatisierung von Dienstleistungen aus dem öffentlichen Sektor, schwerpunktmäßig um die Wasserversorgung.

Das Panel war sehr einseitig besetzt. Anwesend waren Karin Nansen (REDES – Friends of the Earth Uruguay) , Ernst Ulrich von Weizsäcker (MdB, SPD, Club of Rome) und Winfried Hermann (MdB, Bündnis 90/Die Grünen) . Alle Drei sind Kritiker der Privatisierung. Die Veranstalter bedauerten dies und erklärten, dass Befürworter der Privatisierung nur sehr schwer zur Teilnahme an solchen Veranstaltung zu bewegen seien, zumal Schwergewichte im Bereich der Privatisierung wie z.B. die RWE sich aus kritischen Bereichen wie der Wasserversorgung in Entwicklungs- und Schwellenländern zurückziehen würden.

Zunächst berichtete Karin Nansen über das von REDES unterstütze Referendum, mit dem am 31. Oktober 2004 in Uruguay eine Verfassungsänderung verabschiedet wurde, die den Zugang zu Trinkwasser zu einem Menschenrecht erhebt und die Privatisierung der Wasserversorgung untersagt. Dem waren katastrophale Erfahrungen mit der Privatisierung der Wasserversorgung in einer Region Uruguays vorangegangen.

Ernst Ulrich von Weizsäcker stellte Beispiele für Privatisierungsprojekte aus dem von ihm mit herausgegebenen Bericht des Club of Rome Limits to Privatisation vor. Von Weizsäcker führte zwar aus, dass die Privatisierung von Finanzdienstleistungen, Telekommunikationsdienstleistungen und der Energieversorgung zumeist erfolgreich verliefen, stellte dann am Beispiel der Privatisierung der Telekommunikation in Lateinamerika jedoch in Frage, ob die erzielten Fortschritte tatsächlich alleinig auf die Privatisierung zurückzuführen seien.

Die Privatisierung der Telekommunikationsdienstleistungen in Mexiko würde von den Befürwortern immer wieder als Positivbeispiel angeführt werden. Tatsächlich wurden nach der Privatisierung Fortschritte erzielt. Die Verfügbarkeit der Dienstleistungen wurde deutlich erhöht, während die Preise sanken. In Uruguay blieb der Telekommunikationsbereich weiterhin unter staatlicher Kontrolle und es wurden zeitgleich die gleichen Fortschritte, während in Argentinien trotz Privatisierung keine Fortschritte erzielt worden seien. Damit ist für von Weizsäcker nicht evident, das die in Mexiko erreichten Verbesserung ursächlich auf die Privatisierung zurückzuführen seien.

Winfried Hermann berichtete speziell über die Privatisierung der Wasserversorgung. Er führte aus das die starke kommunale Strukturierung der Wasserversorgung in Deutschland sowie die sehr strikte Gesetzeslage die Privatisierung erschweren würde.

Die Referenten identifizierten drei Hauptgründe die zur Privatisierung führen:

  • Starker äußerer Druck z.B. durch WTO und Weltbank die entsprechenden Dienstleistungen zu deregulieren.
  • Prekäre Lage der öffentlichen Haushalte (wie z.B. zurzeit in Deutschland)
  • Unfähigkeit des Staates entsprechende Dienstleistungen anzubieten

Karin Nansen führte aus, dass die Privatisierung teilweise nicht zum freien Wettbewerb führen würde, da sich die Unternehmen vertraglich weitgehende Garantien zusichern lassen würden, um ihre Profite abzusichern. In diesen Fällen würde ein staatliches Monopol gegen ein privatrechtliches ausgetauscht werden.

Weiterhin waren sich die Referenten darin einig, dass die Privatisierung negative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben kann. Der Bürger als Kunde des Staates hat über die demokratischen Institutionen Einfluss auf den Anbieter Staat. Durch die Privatisierung werde der Bürger zum Konsumenten, der keinen Einfluss auf die Unternehmen habe, weil die Steuerungsmöglichkeiten bei den Shareholdern liegen. Wenn der Staat immer mehr Bereiche der Daseinsvorsorge aufgebe, verlieren die Bürger zunehmend das Interesse am Staat.

Ein starker Staat, der auch nach der Privatisierung noch Einfluss nehmen kann, ist in der Lage erfolgreich zu Privatisieren. Als positives Beispiel wurde die Privatisierung der Eisenbahn in Japan genannt. Nachdem die Privatisierung erfolgreich angelaufen war, stellte die japanische Regierung fest, dass die Unternehmen unrentabele Nebenstrecken aus betriebswirtschaftlichen Gründen einstellen wollten. Durch einen finanziellen Ausgleich konnte die Aufrechterhaltung eines flächendeckenden Eisenbahnnetzes erreicht werden.

Weiterhin muss der Privatisierenden darauf achten, dass die Wertschöpfung nicht zu Lasten der überlassenen Infrastrukturen z.B. durch unterlassene Wartung und Instandhaltung geht. Dies war z.B. beim britischen Schienennetz der Fall, dass nach diversen Unfällen und Verkehrsstörungen wieder verstaatlicht wurde, um den reibungslosen Schienenverkehr zu gewährleisten.

Als Ergebnis kristallisierte sich für mich heraus, dass das Problem nicht primär bei der Privatisierung, sondern bei der oftmals damit einhergehenden Deregulierung liegt. Gelingt es der Privatisierung einen klaren Rahmen zu geben, sie zu fairen Bedingungen umsetzen und anschließend kontrollierend und ggf. steuernd zu begleiten, dann kann sie für alle Seiten zufriedenstellend verlaufen.

In Deutschland ist die Privatisierung in vollem Gange. Es ist notwendig, dass sich die breite Öffentlichkeit dessen sowie der möglichen Folgen bewusst wird. Diese Entwicklung muss darin münden, dass in einem gesellschaftlichen Prozess der Rahmen sowie die Grenzen der Privatisierung abgesteckt werden. Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa.

3 Gedanken zu „Grenzen der Privatisierung

  1. In Baden-Württemberg wird die Bewährungs-und Gerichtshilfe nicht aus finaziellen sondern aus politischen Gründen privatisiert. Man will Stellen einsparen und die Besoldung der Beamten als Sachausgaben tarnen… und zwerschlägt dabei eine gute Sturktur.

  2. ++++++ Privatisierung der Deutschen Bahn ++++++

    24.07.2007:
    Das Bundeskabinett beschließt die Teil-Privatisierung der Deutschen Bahn AG, trotz zahlreicher Proteste aus der Bevölkerung.

    06.11.2006:
    71 Prozent der Bundesbürger sind dafür, dass die Deutsche Bahn in öffentlichem Eigentum bleibt. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Bündnisses „Bahn für Alle“ ergeben. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid hatte mehr als 1000 Menschen in Deutschland befragt.

    23.11.2006:
    Mehr als 34.000 Unterschriften gegen die Bahn-Privatisierung hat das Bündnis „Bahn für Alle“ an Bundestags-Vizepräsidentin Dr. Susanne Kastner übergeben.

    ———–

    Grundgesetz Artikel 84e, Absatz 4:
    „Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird.“

    ———–

    Das Bündnis „Bahn für Alle“ befürchtet, daß die beabsichtigte Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn zu weiteren Streckenstillegungen führen wird.

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    Es ist ein Gebot der volkswirtschaftlichen Vernunft, denjenigen Verkehrsträger zu fördern und zu stärken, der die wenigsten unerwünschten Schäden und damit Zusatzkosten verursacht – und das ist mit weitem Abstand die Bahn.

    Quelle:
    Hermann Scheer, Peter Friedrich:
    Die Bahn: Zukunftsinvestment aller Bürger

    ———–

    Erkunden Sie doch mal spielerisch die zu erwartenden Folgen der Bahnprivatisierung mit BAHNOPOLY:
    http://www.campact.de/bahn/opoly/start

  3. Pingback: Weltblick » Blog Archiv » Stöckchen

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