Mein Eindruck von sceye

Sceye - Aufbau

Ende November 2005 kündigte die Firma silvercreations ihr neues Produkt sceye an. Hierbei handelt es sich um eine Dokumentenkamera, die bei der Dokumentenerfassung den Scanner ersetzen soll. Als einer der Vorteile wird die Geschwindigkeit genannt: Weil das Dokument nicht mehr Zeile für Zeile erfolgt, sondern einfach fotografiert wird, soll sceye erheblich schneller als herkömmliche Scanner sein. Am Wochenende hatte ich die Möglichkeit, mir das Gerät kurz anzusehen.

Die Idee hat was. Statt mit der Scaneinheit über der das Dokument zu fahren oder das Dokument an einer Scannzeile vorbei zu ziehen, wird einfach ein Bild gemacht. So wie wir es aus alten Spionagefilmen kennt, wenn der Agent mit seiner Minox die Geheimunterlagen schnell und einfach ablichtet. Damit die Abbildung stimmt (Größe, Fokus) fotografiert er mit einem definierten Abstand, den er mit Hilfe eines Bandes, das an der Kamera befestigt ist, festlegt.

Genauso funktioniert sceye: An Ende des Schwenkarme sitz eine 3 Megapixel-Kamera, die durch den Arm in einer definierten Höhe über der Unterlage gehalten wird. Ein Laser neben der Kamera projiziert einen roten Rahmen auf die Unterlagen (etwas größer als DIN A4), der den Aufnahmebereich markiert. Ein Klick auf die entsprechende Schaltfläche der Software, schon ist das Dokument im Kasten (hier: auf der Festplatte).

So die Idee, aber leider hakt es (noch?) bei der Umsetzung:

  • Bei einem (Dokumenten)Scanner erwarte ich, dass er nur das Dokument selbst scannt. sceye bildet die gesamte erfasst Fläche ab. Es gibt keine automatische Erkennug des Blattrandes und auch keine Möglichkeit vor der Ablichtung den Bereich zu verkleinern.
    Die Software erlaubt nach der Speicherung, das Bild zu öffnen und zu beschneiden. Das kostet einen großen Teil des Geschwindigkeitsvorteils.
  • Jeder kennt das: Wenn man einen Brief aus dem Kouvert nimmt, hat er zumeist zwei Kniffe und dadurch eine Wellenform. Wenn man ihn auf den Tisch legt, dann liegt er nicht glatt auf.
    Erfasst man ein solches Dokument mit sceye, dann erhält man ein Abbild des unebenen Dokuments. Persönlich erwarte ich von einem Dokumentenscanner ein unverzerrtes Abbild des Dokumentes. Bei Einzugs- oder Flachbettscannern gibt es dieses Problem nicht, weil das Dokument bei Scan zwangsläufig geglättet wird.
    Bei Büchern und Zeitschriften tritt dieses Buch durch die Bindung noch stärker auf. Man kann die Vorlage jedoch nicht mit den Händen runter drücken, weil sonst die Hände mit abgebildet werden. Mit einem Flachbettscanner (und etwas Kraft) kann man IMHO bessere Ergebnisse erzielen.
  • sceye verfügt über keine eigene Lichtquelle, sondern ist auf das Umgebungslicht angewiesen. Damit gibt es für die Aufnahme keine definierte Farbtemperatur und das leidige Thema Weißabgleich kommt ins Spiel.
    Ich habe den Eindruck gewonnen, dass diese nicht optimal (oder gar nicht?) implementiert ist. Für meinen Geschmack hatten die Scans einen deutlichen Stich ins gelblich Orange (Beleuchtung mit Warmlicht Leuchtstoffröhre). Ist aber nur mein persönlicher Eindruck.

Diese -aus meiner Sicht funktionellen- Einschränkungen würden für mich die Eignung als Dokumentenscanner/kamera deutlich einschränken.

Die folgenden Punkte sind eher eine Geschmacksfrage:

  • Die Software hat keine Standart-Windows-Oberfläche, sondern einen stylischen, runden Look.
    Persönlich bevorzuge ich die Nüchternheit von Windows. Hier kennt man das Look&Feel. Was jedoch nicht bedeutet, dass die Software von sceye in der Bedienung nicht eingängig wäre; halt eine Geschmacksfrage.
  • Im Hinblick auf den doch recht hohen Preis (599 Euro plus MwSt), könnten die Materialien doch etwas „wertiger“ sein. Von der Funktion her sind die Materialien nicht zu beanstanden, im Hinblick auf den innovativen Ansatz und das ansprechenden Design würden hochwertigere Kunststoffen bzw. Oberflächen IMHO den Anspruch des Produktes unterstreichen.
  • Der Standfuß ist für den Betrieb ausreichenden schwer. Wenn man den Schwenkarm mit einer Hand einklappen möchte und dabei das Gerät nicht mit der anderen Hand festhält, dann kann das Ganze schon mal ins Kippen kommen. Ein schwererer Fuß würde hier aus meiner Sicht einen besseren Eindruck hinterlassen.

Als Vorteil wird auch herausgestellt, dass sceye im zusammengeklappten Zustand wenig Platz benötigt. Das stimmt. Bei der Arbeit braucht sceye ungefährt die gleiche Fläche, wie ein A4-Flachbettscanner, sodass man am Arbeitsplatz in beden Fällen eine entsprechende Fläche vorhalten muss.
Mein Problem wäre, dass bei mir diese Fläche immer „zuwachsen“ würde und immer wieder neu erkämpft werden müsste. Mein Flachbettscanner „reserviert“ sich die notwendige Fläche kraft seiner puren Existenz (und dank seines abgerundeten Deckels kann ich ihn auch nicht richtig zumüllen… ;-))
Ein kleiner Einzugscanner (z.B. der ScanSnap von Fujitsu) benötigt hingegen auch im Betrieb nicht viel mehr Platz als sceye im zusammengeklappten Zustand.

Aus meiner Sicht ließen sich die funktionellen Probleme mit einer Verbesserung der Software weitgehend in den Griff bekommen.
Nur das Problem mit unebenden Vorlagen (gekniffte Blätte, Bücher, Zeitschriften) dürfte sich nicht per Software lösen lassen, sondern stellt ein grundsätzliches Problem des Konzeptes dar. Hier stellt sich die Frage, welche Ansprüche der Anwender hat, und ob er sich damit arrangieren kann.

Eine Anwendung habe ich gefunden, die der Hersteller nicht herausstellt. Es lassen sich recht gut Bilder von kleineren Gegenständen (z.B. für Auktionsbeschreibungen) erstellen.

wichtiger Hinweis:

Dieser Erfahrungsbericht basiert auf einem Kurz-Test mit der Softwareversion 1.0. Mit den neueren Version 1.1 und 1.2 wurde ein Teil der technischen Probleme behoben. Auf der CeBIT konnte ich einen kurzen Blick auf die Version 1.2 werfen und habe einen kurzen Bericht hierüber verfasst.

Zwischenzeitlich gibt es eine Version 2.0 von sceye, die weitere Probleme löst. Auch hierüber gibt es einen Kurzbericht von mir.

7 Gedanken zu „Mein Eindruck von sceye

  1. Was natürlich interessant an dieser Lösung ist, ist die Kombination mit einem Roboterarm oder ähnlichem zum Umblättern der Seiten. Das bietet endlich die Möglichkeit, ganze Bücher kostengünstig und ohne großen Zeitaufwand zu scannen. Man müsste dann natürlich noch die Wölbung des Buches in den Scanvorgang aufnehmen. Hmmm …

  2. Thomas, ich kann Deinen Ausführungen aus meiner Erfahrung mit SCEYE zustimmen. Bei mir kommt noch hinzu, dass die Installationsroutine den gescheiterten Kompatibilitätstest für Windows XP moniert und der TWAIN Treiber nach drei bis vier Einlesevorgängen „klemmt“, d.h. die Kamera wird nicht mehr erkannt. Hat damit jemand Erfahrung?

    Ich habe das Produkt im Rahmen der Erstellung eines Archivsystems evaluiert , der Archivar zeigte sich von dem Konnzept sher angetan, hat aber ähnliche Stolpersteine wie Du festgestellt (Benutzeroberfläche, Falze, geknickte Unterlagen…).

    Schön ist natürlich die Möglichkeit, empfindliche Materialien berührungsarm zu scannen.

    Ich denke, wenn die Firma Silvercreations noch ein wenig Detailarbeit (Treiber, Benutzeroberfläche, Bildvorverarbeitung) investiert, wird das Produkt noch attraktiver. Vielleicht entwickelt sich ja auch ein „Werkzeugkastenmarkt“ um das Produkt herum.

  3. Ich hab im Dezember – nach der Erstinstallation und der Nutzung z.B. von PaperPort für die „schnelle“ Verwendung der „Aufnahmen“ und etlichen konsturktiven eMails an den Hersteller – die Kamera einfach wieder eingepackt. Die Ankündigung von Silvercreations bis Ende Januar 2006 eine Softwareweiterentwicklung zur Verfügung zu stellen, ist leider auch nicht erfüllt worden. Zur Vermeidung von „Randerscheinungen“ beim schnellen Ablichten habe ich mir sofort aus einem DIN A3 Papier eine Maske gebastelt.

  4. Ich hoffe eine Anmerkung vom Hersteller ist in diesem Forum willkommen. Ich arbeite bei Silvercreations und gehöre zum Supportteam. Gerne stehen wir für Anregungen und Kommentare, aber auch für konstruktive Kritik unter sceye.support@silvercreations.de Rede und Antwort.

    Die meisten Kommentare sind aus dem Januar und beziehen sich somit auf die Software-Version 1.0. Seit dem 01 Februar steht die Version 1.1 zum Download zur Verfügung und dürfte bereits eine Reihe der genannten Punkte erfüllen – Stichwort: Weißabgleich, …

    Inzwischen ist auch die Ankündigung zum Update 1.2 veröffentlicht und kündigt bis Ende März einige weitere Verbesserungen an – beispielsweise den Scan von Teilausschnitten durch einen Selektionsrahmen im Vorschaubild und eine Reihe weiterer Details…

    Eine geometrische Korrektur findet im Rahmen der fixen, durch die Optik verursachten Verzerrung statt. Ein durch das Dokument individuell verursachte geometrische Verzerrung kann auf diesem Wege leider nicht kompensiert werden. Dies sollte aber in keinem Fall zu einer unscharfen Darstellung führen und ist vor allem ein ästhetisches Problem.

    Wir legen großen Wert auf Service und Betreuung… Gerne sehen wir den Anfragen entgegen und interessieren uns für die Bedürfnisse unser Anwender. Durch die regelmäßigen Updates sind wir aber sicher ein zukunftssicheres Produkt anzubieten.

    P.S. Dem Problem mit dem zuwachsen der Schreibtischfläche kommen wir tatsächlich nicht bei… 😉

  5. Ich freue mich, dass das Posting auf Resonanz gestoßen ist. Anhand meiner Statistik stelle ich fest, dass nicht nur die vier Besucher hier waren, die einen Kommentar hinterlassen haben, sondern dass es hier googlemäßig relativ viele Hits mit dem Suchbegriff sceye gibt.

    Natürlich sind hier nicht nur Kommentare von Käufern, sondern auch vom Hersteller willkommen.

    @Mike:
    Von den Installationsproblemen hatte mir bereits der Kumpel berichtet, bei dem ich das Gerät in Augenschein nehmen konnte. Bei ihm klappte es auch nicht auf Anhieb und die Installation scheiterte reproduzierbar. An dem Wochenden hatte er Zugriff auch eine andere Hardware und dort gelang dann auch die Installation.
    Vom Hersteller hatte er auch den Hinweis auf die neue Softwareversion bekommen.

    Was mir noch auffiel, aber dann untergegangen ist: Der Umstand, dass die Software die Dokumente innerhalb der Programme-Verzeichnisstruktur unterhalb des Programmverzeichnisses, speichert hat mich für die Software und das Produkt nicht unbedingt eingenommen. Ich dachte, dass es spätestens seit Windows9x hier andere Mechnismen geben sollte. Als verantwortungsvoller Admin im professionellen Umfeld würde ich die Hierachie unterhalb von /Programme für User sperren, sodass die Software hier arge Probleme bekommen würde.
    Ich habe (auf die Schnelle), auch keinen Weg gefunden, der Software einen alternativen Speicherort unter zu schieben.

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